Achtgliedriger Pfad des Yoga oder Erleuchtung 1×1
Yoga ist mehr als Sport und mehr als Meditation. Das was wir recht oberflächlich als „Yoga“ bezeichnen ist nur ein kleiner Teil der Philosophie. Die meisten Menschen kommen zum Yoga, weil sie eine Sportart für sich finden wollen, mal richtig entspannen wollen oder um den Beach-Body des Jahres zu bekommen. Wer dann beim Yoga bleibt, tut dies oft, weil es so unheimlich gut tut. Und das hat einen Grund. Das eigentliche Ziel von Yoga ist absolute Klarheit des Geistes, die einhergeht mit einer Verbindung zwischen Körper, Atem, Bewegung, Geist und Universum. Klingt ganz schön groß? Ist es auch! Das schöne ist, dass es viele kleine und sehr praktische Wege gibt, die du einschlagen kannst – und diese werden dich allmählich auf den achtgliedrigen Pfad bringen.
Was ist Yoga – Der achtgliedrige Pfad
- Yama | Umgang mit deiner Umgebung
- Niyama | Umgang mit dir selbst
- Asana | Praxis der Körperübungen
- Pranayama | Praxis der Atemübungen
- Pratyahara | Nach-Innen-Richten der Sinne
- Dharana | Ausrichtung des Geistes auf einen Gegenstand
- Dhyana | Ununterbrochene Verbindung zwischen Geist und Gegenstand
- Samadhi | Vollkommenes Verschmelzen mit dem Gegenstand
Aufgeschrieben wurden diese Dinge schon vor über 2000 Jahren von Patañjali, einem indischen Gelehrten und wie ich finde äußerst klugen Mann. Ich möchte dir hier einen kurzen Überblick über diesen Weg geben und aufzeigen, was er alles beinhaltet.
1. Yama
Umgang mit deiner Umgebung
Die Yamas (es gibt 5 davon, die ich dir nochmal ausführlicher erkläre) betreffen dein Verhalten zu anderen und zu deiner Umgebung. Wie gehst du mit den Menschen um dich um? Wie sprichst du mit ihnen? Wie verhältst du dich gegenüber anderen Lebewesen, sowohl Tieren als auch Pflanzen? Wie gehst du mit deiner Umwelt um? Es geht dabei vor allem um die Einstellung, die du dazu hast. Das sind Dinge, an denen du ganz einfach anfangen kannst du arbeiten. Dinge, die du allmählich in dein Leben integrieren kannst.
Wenn du darüber mehr wissen möchtest, lies hier weiter. In einem kurzen (unvollständigen) Einblick geht es um diese Themen:
- Liebe und Verständnis: Behandle alles, was lebt mit Rücksicht, Verständnis und Liebe.
- Wahrheit: Wähle deine Worte und Gesten bewusst und sprich nur die Wahrheit.
- Nicht-Begehren: Begehre nichts, was dir nicht gehört oder zusteht.
- Mäßigung: Mäßige dich in all deinem Tun, seien es Schokolade, Sport oder Partys.
- Bescheidenheit: Nimm dir nur das, was du brauchst.
2. Niyama
Umgang mit dir selbst
Niyamas beschreibt den Umgang mit dir selbst. Denn der ist ganz genauso wichtig, wie der Umgang mit deiner Umgebung. Beide bedingen einander. Wenn du nicht gut mit dir selbst umgehst, wird es dir schwer fallen, gut mit deiner Umgebung umzugehen und andersherum. Auch hier gibt es 5 Kriterien, die du im Alltag umsetzen kannst – auch wenn sie teilweise harte Arbeit bedeuten, denn einen persönlichen Habitus zu ändern ist nicht in 2 Tagen erledigt 😉
Wenn du darüber mehr wissen möchtest, lies hier weiter. In einem kurzen (unvollständigen) Einblick geht es um diese Themen:
- Reinigung: Reinige deinen Körper und Geist regelmäßig.
- Zufriedenheit: Sieh dir dein Leben an und sieh alles gute darin. Sei bescheiden und zufrieden.
- Regelmäßigkeit: Finde Regelmäßigkeit in „guten Gewohnheiten“, wie deinen Körper- und Atemübungen, gesunder Ernährung, Schlaf, Arbeit und Erholung.
- Selbstreflexion: Schau dir deine eigene Entwicklung immer wieder prüfend und ehrlich an.
- Vertrauen und Hingabe: Vertraue, dass alles einen Sinn hat, dass sich alles zum Guten wendet. Vertraue in eine höhere Kraft – wie auch immer du sie nennen möchtest. Universum, Gott, Allah – ihnen liegt allen das gleiche zugrunde.
3. Asana
Praxis der Körperübungen
Das ist der Teil, den wir wohl vom Yoga am besten kennen: die Körperübungen. Jede einzelne Asana, so werden die Haltungen genannt, hat einen konkreten Zweck. Sie kann dir bei einem Problem helfen, sei es ein körperliches oder ein geistiges. Balance-Übungen können dir z.B. Entscheidungskraft vermitteln, oder Vorbeugen dich zu Ruhe und Einkehr bringen. Werden sie in einer bestimmten Reihenfolge ausgeführt, unterstützen sie dich optimal auf dem achtgliedrigen Pfad und bringen dir mehr Klarheit. Jede Asana sollte dabei weder zu Verspannung noch zu totaler Trägheit führen. Sie soll stabil und leicht sein. Auch hier ist wieder die Regelmäßigkeit gefragt, die Teil von Niyama, also dem Umgang mit dir selbst, ist.
4. Pranayama
Praxis der Atemübungen
Ein weiterer Teil, den wir vom Yoga kennen ist Pranayama – die Praxis der Atemübungen. Je nach dem, welchen Yogakurs du besucht hast, werden diese Übungen dort mehr oder weniger intensiv eingebunden. Unser Atem ist ein fantastisches Werkzeug, mit dem wir unseren Geist und unseren Körper beeinflussen können. Oft lassen wie Atmung einfach passieren, aber bei Pranayama geht es um ganz bewusste und gesteuerte Atmung. Du kannst gleich jetzt damit anfangen, indem du dich gerade aufsetzt und 10 mal tief ein- und ausatmest. Beim Einatmen kannst du bis 3 und beim Ausatmen bis 5 zählen. Mit solchem bewussten Atem kannst du in dem Fall deinen Körper und dein Gedankenchaos beruhigen. Mit anderen Techniken kannst du dich aktivieren und deine Konzentration steigern. Es gibt viele verschiedene leichte bis kompliziertere Atemtechniken. Warum man das nicht gleich in der Schule beigebracht bekommt – eine mega einfache und tolle Sache!
5. Pratyahara
Nach-Inne-Richten der Sinne
Wenn wir die vorher genannten Pfade bereits gehen, sie regelmäßig praktizieren und in unser Leben integrieren, wird es uns leichter fallen unseren Geist nicht von unseren Sinnen ablenken zu lassen. Ablenkung ist überall: du willst eigentlich ein Buch lesen (oder diesen Text hier schreiben) und ein Biep des Handys, ein Blick aus dem Fenster und schon ist man 1-2 Minuten lang von seiner eigentlich selbst-gesetzten Aufgabe abgewichen. Wenn du Pratyahara beherrschst, dann ist es egal, was du siehst, riechst, hörst – du wirst deiner Aufgabe ohne Ablenkung nachgehen können. Es ist „der Rückzug des Geistes aus der Knechtschaft der Sinne“ (A.G. Mohan). Auch das kannst du jetzt schon üben, indem du ganz bewusst wahrnimmst, wenn du abgelenkt bist und dich wieder fokussierst. Dies ist auch der Grund, warum wir uns für eine Meditationspraxis so bequem wie möglich setzen – eine unbequeme Haltung lenkt nach 2 Minuten von der Meditation ab.
6. Dharana
Ausrichtung des Geistes auf einen Gegenstand
Nun werden die Pfade des Yoga etwas komplexer und erfordern die Beherrschung des jeweils vorangegangenen Pfades. Dharana beschreibt einen Zustand der vollen Konzentration, in dem sich ein Mensch auf nur ein einziges Objekt oder ein Konzept, eine Idee ausrichtet. Egal, was noch umher passiert – der Fokus bleibt auf diesem einen Gegenstand. Gegenstand kann hier etwas zum Anfassen sein, ein Konzept wie Liebe, ein anderer Mensch, die Gesamtheit des Universums, einfach bis komplex.
7. Dhyana
Ununterbrochene Verbindung zwischen Geist und Gegenstand
Das ist die pure Meditation, wenn sie beherrscht wird. Keine Ablenkung, keine Unterbrechung, ein nicht-unterbrochener Fluss des Geistes auf nur ein Objekt. Auf diese Art und Weise können wir Gegenstände verstehen lernen. Anfangs werden wir durch unsere eigenen Wahrnehmung beeinflusst, durch Erinnerungen und Vorstellungen in unserem Geist. Doch nach langer Meditation wird das Begreifen des Objektes und allem, was es beinhaltet, immer klarer und eindeutiger.
8. Samadhi
Vollkommenes Verschmelzen mit dem Gegenstand
Die ununterbrochene Verbindung führt irgendwann zum vollständigen Verstehen des Objektes. Zwischen dem Mensch und diesem Gegenstand entsteht dann eine enorm enge Verbindung, sodass sie eins werden und der Mensch sich vollständig mit dem Objekt vereint. Bei dieser Praxis erlangt der Mensch vollständiges Wissen über das Objekt und alle Aspekte, die es beinhaltet. Und genau dieser Zustand wird als Erleuchtung bezeichnet. Der Yoga-Weg ist also der Weg zur Erleuchtung 🙂 Wie du siehst, sind Dharana, Dhyana und Samadhi die schwierigsten Teile des Yoga-Weges. Sie werden ganz natürlich kommen, wenn wir uns mit den ersteren beschäftigen – und das ist auch erstmal Aufgabe genug für die nächsten Jahre 😉
Egal, mit welchem der ersten fünft Punkte des Yoga-Weges du anfängst – jeder kann DEIN Beginn sein. Dem einen fallen die Körperübungen leichter, der anderen fällt Meditation nicht schwer. Wenn du Yoga in seiner Ganzheit und Fülle praktizieren und verstehen möchtest, wirst du dich nach und nach mit allen Teilen davon auseinandersetzen. Egal, womit du anfängst. Und unter uns: Ich habe noch keine extrem regelmäßige Praxis, und meinen Geist zur Ruhe bringen ist an manchen Tagen schlicht unmöglich. Aber es versuchen, und das immer wieder, das ist das Wichtige.
Du willst mehr wissen?
Wie du siehst, ist Yoga also ziemlich weit weg von reiner Gymnastik und schicken Leggings. Und du musst dafür nicht auf krassen Felsen stehen oder in der Natur sein. Für mich persönlich hat es sich neben der Körper- und Atempraxis, toll angefühlt, mich mit den Yamas und Niyamas zu beschäftigen. Denn hier kann ich mich wirklich hinterfragen und weiterentwickeln. Yoga entwickelt den ganzen Menschen weiter. So, und bevor ich jetzt weiter schwafle, empfehle ich dir noch ein tolles Buch zur Einführung in Yoga
Und wenn du jetzt richtig in die Philosophie eintauchen möchtest, kannst du das Yoga-Sutra lesen (ich nenne es salopp die Bibel des Yoga, wobei es nichts mit Religion zu tun hat). Aus diesem uralten Buch von Patanjali sind diese Wege und Weisheiten entnommen. Ich habe die Version von Desikachar gelesen und fand sie sehr gut erklärt und leicht verständlich. Die 8 Glieder des Yogaweges kannst du dort ab Yoga Sutra 2.29 nachlesen.